Yin und Yang 

«Einmal Yin, einmal Yang, das ist das Dao», heisst es im ältesten der klassischen chinesischen Texte, dem „Buch der Wandlungen“ („Yijing“). 

„Yin“ lässt sich mit schattig, dunkel, geheim, das negative oder weibliche Prinzip in der Natur, aber auch mit listig übersetzen. „Yang“ bedeutet klar, hell, männliches (positives) Prinzip, Sonne oder auch Leben. 

Die beiden Begriffe Yin und Yang dienen der Kennzeichnung der zwei Entsprechungsreihen. Um zu verstehen, wie diese spezielle Yin-Yang-Paarbeziehung funktioniert, sei auf die daoistische Auffassung hingewiesen, nach der die ganze Welt von Yin und Yang erfüllt ist. Es gibt kein einziges Ding oder Geschehen in Raum und Zeit, das nicht einen Yin- und einen Yang-Aspekt aufweist. Himmel und Erde, Tag und Nacht, heiss und kalt, stark und schwach beschreiben Aspekte ein und desselben Phänomens und machen bewusst, dass der Aspekt gar nicht ohne sein Gegenüber «existieren» kann. Westliche Seh-, Sprach- und Denkgewohnheiten lassen diese einfache Tatsache manchmal wieder vergessen. 

Speziell zu erwähnen ist auch noch, dass sich Yin und Yang ineinander verwandeln können. Hier handelt es sich um die Beschreibung organischer Prozesse, bei denen man zwei Arten der Veränderung beobachten kann: harmonische Veränderungen, die dem natürlichen Verlauf der Entwicklung entsprechen, und plötzliche, abrupte Veränderungen, die disharmonisch sind. Generell kann man sagen, dass jede Veränderung einen Übergang von Yin in Yang und Yang in Yin bedeutet, und zwar in zyklischem Ablauf. So folgt Tag auf Nacht, Ebbe auf Flut, Tod auf Leben. Die Regelmässigkeit der Muster, die in den verschiedenen Bereichen ablaufen, erlaubt es den Menschen zum Beispiel, durch genaue Beobachtung der Phänomene eine möglichst ideale Einpassung ins grosse Yin-Yang-Zusammenspiel zu erreichen und so das individuelle Yin-Yang-Gleichgewicht zu erhalten. Wenn aber die Muster nicht richtig erkannt werden oder man sich gegen besseres Wissen falsch verhält, kommt es zu Disharmonien. Wenn man sich zum Beispiel in einer extremen Yin-Phase, mitten im Winter, verhält, als wäre es Sommer, das heisst, so tut, als stünde einem die Yang-Energie des Sommers zur Verfügung, verursacht man damit längerfristig Disharmonien.